Auftakt 750 Jahr Feier Bonlanden: Von Bullerbü nach Bonlanden. OB Traub und 4Klässler lesen vor.

Wegen der Corona-Pandemie werden alle Veranstaltungen zur 750 Jahr Feier Bonlanden abgesagt.

Die 750+1 Jahr Feier Bonlanden findet dann in 2021 statt.

 

Zum Auftakt der 750-Jahr-Feier in Bonlanden begaben sich OB Christoph Traub und Bonländer 4Klässler auf eine Zeitreise in die Vergangenheit: Kindheit vor 100 Jahren. Im Alfons-Fügel-Saal ist es mucksmäuschenstill, als die 4Klässler aus Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker „Die Kinder von Bullerbü“ vorlesen.

Während der Kindheit von Astrid Lindgren, die 1907 geboren wurde, lebten in Bonlanden 1400 Einwohner, jeder kannte jeden, es gab drei Telefonanschlüsse, die elektrische Straßenbeleuchtung hielt gerade Einzug, Pferdefuhrwerke und Fahrräder zogen durch die Straßen, Autos hatten absoluten Seltenheitswert, es gab 5 Bäcker, 5 Metzger und 4 Gemischtwarenläden, führt Stadtarchivar Dr. Nikolaus Back in die damalige Zeit ein. Gemeinsam mit Christa Kröplin hatte er die Vorleseidee „Von Bullerbü nach Bonlanden“ und beide half bei den Vorbereitungen.

 

 

Während zahlreiche Anwesende sich während der „Vorlesung“ an ihre eigene Kindheit und ihre Erfahrungen mit dem literarischen Bullerbü erinnern, erwacht im Saal eine vorgelesene Kindheit der Langsamkeit ohne Hektik, ohne Smartphone, ohne durchgetaktetes kindliches Zeitmanagement. Die Bonländer Kinder erzählen von Lasse und seinen Freunden und ihren Abenteuern im schwedischen Bullerbü. OB Traub liest Erinnerungen von Albert Groß, 1906 in Bonlanden geboren. Albert wurde 1912 eingeschult. In seiner Klasse waren 57 Schüler, davon 37 Jungs und 20 Mädchen, dann kamen noch 5 Sitzenbleiber dazu. Sein 1. Schuljahr verbrachte er im alten Schulhaus in der Oberdorfstraße, das jetzige Bürgeramt. Im 2. Schuljahr genoss er bereits die neue Schillerschule. „Wir wurden damals nach Leistung gesetzt, der Beste hat meist vorne gesessen in der ersten Bank, der Schlechteste ganz hinten. Da hat jeder gewusst, wer welche Noten hatte.“ Im ersten Jahr saß Albert noch in einer langen Schulbank mit 6-7 Kindern, in der Schillerschule drückten dann zwei Kinder gemeinsam die Schulbank.

 

Im August gab es drei Wochen Ferien, 10 Tage Heuferien und eine Woche Herbstferien zur Kartoffelernte. Im Sommer war Schule von 7-12 und 13-15 Uhr, im Winter von 8-12 und 13-16 Uhr. Nur Mittwoch- und Samstagnachmittag war schulfrei. Dafür gab es viele Hausaufgaben und viele Kinder mussten auch auf dem Acker mithelfen. Die Hälfte der Schüler hatte keinen Schulranzen und trugdas Schulzeug unter dem Arm. Geschrieben wurde mit Tinte oder Griffel. Der Unterricht begann mit einem Lied, begleitet von den Geigenklängen des Lehrers. Sportunterricht bestand fast nur aus Gymnastik, Leichtathletik oder Fußball stand nicht auf dem Lehrplan. Schulstrafen waren damals an der Tagesordnung. Tatzen und Hosenspanner (übers Knie legen) verteilte der Lehrer tagtäglich, Albert erhielt selten welche.

 

 

 

 

Andere Zeitzeugen berichten vom eiskalten Winter von 1928/29, der selbst den Winter in Bullerbü in den Schatten stellte. Bis zu minus 30 Grad im Februar. Kohle war ein rares Gut. In den Städten wurden die Schulen geschlossen, die Bonländer hielten tapfer aus. Oft war um 10 Uhr erst 6 Grad Wärme im Klassenzimmer, am Montag war es nach dem Wochenende am schlimmsten.

Dem Schneevergnügen von Lasse und seinen Freunden auf Vaters Schneepflug standen die Bonländer Kinder in nichts nach. Am Backhäuschen hin immer der dreieckige Schneepflug. Da hängt er auch heute noch. Im Einsatz wurde er mit 2-4 Pferden gezogen. „Wir Kinder sind dann mit dem Pflug mitgefahren.“

Im Tante-Emma-Laden freuten sich die Kinder über saure Drops. Die Waage war das wichtigste Arbeitsmittel, die meiste Ware war lose. Eine Kasse war ein Luxus, gerechnet wurde im Kopf. Ein Ladenschlussgesetz gab es bei Marie Adam nicht. Geöffnet wurde, wenn sie wach war, und abends wurde man immer noch bedient, wenn Marie noch wach war. Geschlossen wurde nur während der Erntezeit. Kinder von Gemischtwarenhändlern wurden zwar beneidet, mussten aber auch immer nett zu allen sein, damit die Kunden nicht bei der Konkurrenz einkaufen würden.

Wer sich auf eine eigene Zeitreise begeben möchte, kann im Heimatmuseum in Bonlanden in die Vergangenheit eintauchen – und das ganz ohne eine App.

Text/Bilder: Hedy Barth-Rößler, Stv. Vors. Stadtverband Freie Wähler Filderstadt e.V.