Pressemeldung der Freie Wähler Fraktion Filderstadt zum Statement der IHK Esslingen-Nürtingen (Filder-Zeitung 11.Juni 2021)

Das positive Statement der IHK Esslingen-Nürtingen zu einem Neubau der B 27 überrascht nach fast gleichlautenden öffentlichen Äußerungen der IHK Stuttgart nicht. Überraschend jedoch ist die schlichte Argumentation des Geschäftsführers („Mir ist nicht bekannt, dass es von irgendeiner Planungsstelle ernsthafte Zweifel daran gibt, dass die derzeitigen Fahrzeugzahlen nicht auch in Zukunft erreicht werden“), die sich allein schon durch Pressemeldungen und Einschätzungen der letzten Wochen widerlegen lässt. Auf mögliche Alternativen, beispielsweise einer Wechselspur anstelle des derzeitigen Mittelstreifens, um die tageszeitbedingten Verkehrsbelastungen intelligent und ressourcenschonend aufzufangen, wird erst gar nicht eingegangen. Fraglich ist auch, ob und inwiefern beide IHKs tatsächlich die Meinung ihrer (Zwangs)Mitglieder (beispielsweise private Betreiber von Solaranlagen) widerspiegeln oder hier einseitige Meinungsäußerungen verlautbart werden. Es scheint geraten, dass sich – wie vergleichbar in Stuttgart in anderer Sache – eine Gruppe ökologisch orientierter Mitglieder formieren und bei den kommenden Wahlen organisieren.

Vollends schräg aber ist – ungeachtet der Verwendung eines historisch nicht unbelasteten Begriffs – die Aussage der IHK-Präsidentin Heike Kauderer: „Wir wollen die Region als lebenswerte Region in all ihren Facetten entwickeln“. Wer, bitteschön, kann es als hilfreich oder der Lebensqualität förderlich empfinden, wenn beispielsweise Filderstadt durch eine sechs- und mehrstreifige Bundesstrasse noch stärker zerschnitten wird und dabei Unmengen fruchtbarster Ackerflächen für immer zubetoniert werden? Wo, bitteschön, bleibt der Hinweis, dass der Neubau der B 27 – wie nachgewiesen – zu keinen nennenswerten Entlastungen des innerörtlichen Verkehrs in Filderstadt führt? Wo bleibt der in den Gutachten des Regierungspräsidiums enthaltene Hinweis auf die nicht wenig gravierenden Beeinträchtigungen des Ökosystems („Verlust von hochwertigen Biotopen“, „Verlust von Lebensräumen europarechtlich geschützter Arten“)? Und wo bleibt der Hinweis auf die notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel? Und wenn nun die Transformation zur E-Mobilität als Argumentation angeführt wird, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts durch einen Neubau der B 27 zu erhalten, muss sich die HK fragen lassen, wie sie bisher zu diesen Themen argumentiert hat? Und wo, bitteschön, bleibt auch nur der zarteste Hinweis auf eine ökologisch nachhaltige Verkehrsgesamtkonzeption, wie wir Freie Wähler diese fordern? Es hat schon Gründe, weshalb sich der Filderstädter Oberbürgermeister Traub entsprechend kritisch zu den Neubauplänen – die Pläne gehen weit über einen Ausbau hinaus – geäußert hat.

Immerhin: Ein kleiner Lichtschimmer von Einsicht lässt sich dem einseitigen Statement entnehmen: Es soll keinen 8-streifigen Ausbau geben. Und es sollen ökologische und ökonomische Aspekte abgewogen werden- Von einer Balance dieser beiden Aspekte ist in dem Statement aber nicht ein Hauch zu spüren. Und schade, dass die IHK vergessen hat, dass dazu auch soziale Aspekte gehören. Wir Freie Wähler Filderstadt sind gespannt, mit welchen guten Gründen sich die IHK – wie angekündigt –  „in den Dialog einbringen“ will. Und in welchem Auftrag zu sprechen, sie sich legitimieren möchte. Es bleiben durchaus Zweifel, ob das Statement die Meinung aller IHK Mitglieder widerspiegelt. Wenn dies aber nicht der Fall ist, dann stellen sich weitere Fragen, die – wie bereits in Stuttgart diskutiert – das Selbstverständnis der IHK-Spitze betreffen. Erwarten darf man wohl, dass eine IHK, bei der auch Firmen angeschlossen sind, die sich mit Künstlicher Intelligenz und alternativen Formen von Mobilität befassen, differenzierter argumentiert und fundiert auf entsprechende Gutachten zurückgreift.

 

Stefan Hermann, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler Filderstadt