„Filderstadt for future“ – für ein nachhaltig gutes Klima in Filderstadt – Haushaltsrede 2021

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

auch wenn uns derzeit alle die pandemische Lage in Atem hält: Ein Thema hat ebenso absolute Dringlichkeit: der Klimawandel.

Klimawandel ist mehr als ein meteorologisches oder Wetterphänomen, das auch in Filderstadt spürbar angekommen ist. Klimawandel betrifft auch das gesellschaftliche Miteinander, das sich nicht erst seit und mit der Pandemie verändert hat. Klimawandel betrifft das ökologische, soziale und wirtschaftliche Miteinander, wie wir Freie Wähler dies bereits in unsrer letzten Haushaltsrede thematisiert haben.

Die schiere Größe der Aufgabe, diesen umfassenden Klimawandel zu bewältigen, braucht aus unsrer Sicht: einen neuen Gesellschafts- und Generationenvertrag, der möglichst alle Altersstufen und Gruppen der Gesellschaft mitnimmt, von „fridays for future“ angefangen bis hin zu den „Omas und Opas für future“, Menschen verschiedener Lebenswelten. Sie braucht wechselseitiges Verstehen und Verständigung. Sie erfordert außerdem eine neue Haltung der Bescheidenheit und Genügsamkeit, ein neues umfassendes Verständnis dessen, was „Wohlstand“ lokal und global bedeutet. Sie braucht vor allem ein neues Koordinatensystem, in dem die immensen Herausforderungen zu erfassen und anzugehen sind.

In vielen Punkten ist Filderstadt auf einem guten Weg. Wichtige Aufgaben sind bereits auf den Weg gebracht. Doch nun gilt es, die bisherigen Erkenntnisse konsequent in rasches Handeln umzusetzen und neue Wege zu beschreiten, bevor Kipp-Punkte erreicht sind, an denen Entwicklungen nicht mehr zurückzuschrauben noch zu stoppen sind.

 

 

  • Nachhaltiges Handeln braucht Gestaltungswillen und Zuversicht sowie verlässliche Koordinaten des Handelns

Deshalb brauchen wir ein Handlungskonzept für eine „Filderstadt for future“, das nicht von Panik getrieben ist, sondern von Gestaltungswillen und Zuversicht getragen, wohl wissend, dass nicht alles bleiben oder weitergehen kann wie bisher.

Das gegenwärtige und zukünftige Klein- und Großklima in Filderstadt gemeinsam sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten, das ist der Leitgedanke unsrer Haushaltsrede unter der Überschrift: „Filderstadt for future – für ein nachhaltig gutes Klima in Filderstadt“.

Ein einfaches „Weiter so!“ trägt nicht mehr. Eine „Filderstadt for future“ braucht:

soziale Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe: Ökologisches Bewusstsein darf nicht zu einer trennend-selektiven Frage werden

-eine bewusste und flächenschonende Unterstützung der Wirtschaft bei den Veränderungsprozessen von einer Produktionswirtschaft zu einer Nachhaltigkeitswirtschaft

-eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie sowie ein nachhaltiges Controlling aller Nachhaltigkeitsmaßnahmen in allen Bereichen kommunalpolitischen Handeln.

nachhaltiges und transparentes Monitoring der kommunalen Infrastruktur,

 

 

 

  • Viel hilft viel – aber nicht immer! Die Frage lautet: „Was ist so wesentlich und wichtig, dass es nicht „zu viel“ wird.

Das Motto „viel hilft viel“, trifft eben nicht immer zu. Eine achtsame und sorgsame Gestaltung einer „Filderstadt for future“ braucht beherztes Engagement für Klimaschutz, dies aber setzt auch eine Kultur der Genügsamkeit und Bescheidenheit voraus.

Deshalb, um einer Zukunft in gutem Klima willen, fordern wir klare und transparente Entscheidungen mit ebenso klarer und transparenter Prioritätensetzung in der Umsetzung im Sinne einer nachhaltigen Gestaltung unserer schönen Filderstadt.

Dies betrifft – und die meisten der folgenden Aspekte sind mit konkreten Anträgen hinterlegt:

-eine nachhaltige Umsetzung des Mobilitätskonzepts

-den entschiedenen Einsatz dafür, dass bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Strukturmaßnahmen, auch beim Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, die Versiegelung wertvoller Böden sowie der konkrete Beitrag gegen den Klimawandel berücksichtigt wird

-eine gesetzliche Verankerung des Bodenschutzes und die Berücksichtigung von Digitalisierungseffekten beim Gewerbeentwicklungskonzept sowie der Mobilitätsinfrastruktur

-die Einbeziehung der Einhaltung der Menschenrechte sowie fairer und nachhaltiger Lieferketten als wichtigen Aspekt der Wirtschaftsförderung im Sinne der fair trade town Filderstadt

-die Schaffung angemessener Arbeitsplätze in der Verwaltung sowie die Ermöglichung guter und servicefreundlicher Dienstleistung durch eine zügige Schaffung eines neuen zentralen Verwaltungsgebäudes unter Beibehaltung dezentraler Anlaufstellen

-die Beschleunigung von Verwaltungs- und Umsetzungsprozessen auch mit Hilfe weiterer Maßnahmen der Digitalisierung.

-die Einhaltung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Beschaffung digitaler Geräte in Bildungseinrichtungen und Verwaltung

 

-eine nachhaltig verlässliche und den gesetzlichen Bestimmungen gerecht werdende Planung ausreichender Bildungs- und Betreuungsplätze im Bereich der frühkindlichen Bildung mit vergleichbaren Qualitätsstandards

-eine proaktive Erstellung einer Konzeption für die Umsetzung des Ganztagesanspruchs in der Grundschule unter Einbeziehung außerschulischer Partner

-die Sicherung und Attraktivierung des örtlichen Handels, Gewerbes und Dienstleistungswesens – auch durch eine weitere Aufwertung der Stadtteilzentren sowie die Unterstützung innovativer Ideen, die wohnortnahes Einkaufen attraktiver machen

-eine transparente und alle Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigende Umsetzung der Grundsteuerreform

 

-die Ermöglichung eines nachhaltigen Belegungsmanagements sowie einer entsprechenden Weiterentwicklung der Infrastruktur im Bereich von Bildung, Sport und Kultur

-die aktive Unterstützung und Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements sowie die konkrete Entlastung von Verantwortlichen und die aktive Begleitung beim Ausloten entlastender Kooperation

-die Ermöglichung einer nachhaltigeren Nutzung pflanzlicher Reste zur Erzeugung von ökologischem Strom und der damit einhergehenden Reduktion des Methanausstoßes bei Verrottungsprozessen

-der Ausbau von Quartierskonzepten und die Ermöglichung von Wohnformen, die das Zusammenleben mehrerer Generationen ermöglichen

 

Damit sind längst nicht alle Koordinaten für die nachhaltige Gestaltung einer „Filderstadt for future“ bzw. „ein nachhaltig gutes Klima in Filderstadt genannt. Viel hilft nur viel, wenn man Prioritäten setzt und Transparenz über die jeweiligen Vorhaben schafft. Dabei gilt: „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert“ (Gustav Werner).

Grundvoraussetzung einer nachhaltigen Weiterentwicklung und Transformation unsrer schönen Filderstadt für eine gute Zukunft ist deshalb:

-ein Verständigungsprozess mit der Bürgerschaft, wie eine „Filderstadt for future“ beispielsweise im Jahr 2035 aussehen und nach gemeinsamen Kriterien von Nachhaltigkeit gestaltet werden soll – dies schließt auch die gesetzlichen Vorgaben einer klimaneutralen Verwaltung 2040 mit ein

-die Einführung eines transparenten Ampelsystems, in dem wichtige Prozesse und Projekte zur Weiterentwicklung einer „Filderstadt for future“ aufgelistet, in dem auch deren jeweiliger Verwirklichungszeitraum und Status mit den wichtigsten Informationen angezeigt ist – damit beispielsweise Feuerwehr, Bildungseinrichtungen und Vereine verlässliche Perspektive auf räumliche Veränderungen haben

-eine bessere Verständigung von Verwaltung und Kommunalpolitik im Blick auf eine Prioritätensetzung und Konzentration anstehender Vorhaben mit klarem, abgestuften Zeitplan auch unter dem Nachhaltigkeitsaspekt der personellen und finanziellen Realisierbarkeit, der sozialen Bedeutsamkeit und einer ökologischen Wende für eine „Filderstadt for future“

-die stringente Umsetzung einer nachhaltigen Strukturreform der Verwaltung, in der bereits begonnene Digitalisierungsprozesse ausgebaut, Entscheidungs- und Bewilligungsprozesse in neuen Formen beschleunigt und hinsichtlich Transparenz, Effizienz und ämterübergreifender Kooperation überprüft werden, in der eine Haltung der Dienstleistung für die Bürgerschaft zum Ausdruck kommt und damit ein gemeinsames Eintreten für eine „Filderstadt for future“ deutlich wird

-über die Maßnahmen des integrierten nachhaltigen Stadtentwicklungskonzepts (INSEK) hinaus ein konsequentes Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitscontrolling bei allen maßgeblichen Beschlüssen und Projekten, verbunden mit einer Innovationsbörse mit einer jährlichen Preisverleihung in Beteiligung aller zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Bürgerschaft.

 

 

 Nachhaltiger Zusammenhalt heißt auch, nachhaltig „zusammen Halt“   sagen

Ein weiterer wesentlicher Schlüssel nachhaltiger Entwicklung ist die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. „Versöhnen statt spalten“ (Johannes Rau) muss gerade jetzt das Gebot der Stunde sein.

Deshalb brauchen wir vermehrt Räume der Begegnung, Räume, in denen kontroverse Perspektiven ausgetauscht werden, damit Abgrenzung nicht zur Ausgrenzung wird, inhaltliche Distanzierung nicht zum gesellschaftlichen Bruch.

Solche Räume der Begegnung schafft das vielfache bürgerschaftliche Engagement, schaffen die zahlreichen Organisationen und Einrichtungen unsrer Filderstadt.

Quartiersentwicklung und Generationen übergreifendes Wohnen sind dabei ebenso wichtige Bausteine einer „Filderstadt for future“, wie der Bau eines neuen zeitgemäßen und zukunftsfähigen Jugendhauses in Synergie mit der neuen Gotthard Müller Halle.

Zur vermehrten Schaffung sozial verträglichen Wohnraums – wir erinnern an einen bisher unbearbeiteten Antrag der Freien Wähler in der letzten Haushaltrede – müssen neue Modelle erprobt werden, wie sie beispielsweise im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Stuttgart 2027 im Bereich genossenschaftlicher Wohnformen in Planung sind.

Auch die Realisierung des Sportparks, eine bewusste Gestaltung des Fleinsbachs als ökologisches Naherholungsgebiet sowie innerörtliche öffentliche Grün-, Spiel- und Bewegungsflächen schaffen wichtige Orte der Begegnung.

Wir begrüßen die auch von uns mehrfach geforderte Entwicklung eines Netzwerks Inklusion, das die gesellschaftliche Teilhabe zu einer Selbstverständlichkeit werden lässt und individuelle Fähigkeiten in unterschiedlicher Ausprägung als Bereicherung versteht.

-Und wir sind dankbar für Initiativen wie die Errichtung eines Hospizes und die Genossenschaft des Unverpackt-Laden, weshalb wir uns an beiden Projekten auch personell beteiligen – zwei Projekte, die die Balance zwischen ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit auf ihre Weise nachhaltig bestimmen und damit eine „Filderstadt for future“ aktiv mitgestalten.

Entschieden und zusammen Halt zu sagen gilt es hingegen gegenüber allen Kräften, die ein nachhaltiges Zusammenleben auf freiheitlich-demokratischer Grundlage offen oder subtil untergraben. Zu einer wertebasierten Integration und Inklusion gibt es keine Alternative. Beides sind und bleiben – nicht nur für uns Freie Wähler – unveräußerliche Merkmale einer „Filderstadt for future“ und eines vielfältig gelebten Zusammenhalts.

 

 

  • Schon heute an das Morgen denken und entsprechend mutig und nachhaltig handeln

Um gemeinsam eine nachhaltige „Filderstadt for future“ zu gestalten, muss Nachhaltigkeitswirtschaft ein wichtiges Thema der Wirtschaftsförderung sein Nachhaltigkeitsbewirtschaftung ein wichtiges Thema bei der Flächenbeplanung, bei Baumaßnahmen der Stadt und in den verschiedenen Bereichen von Mobilität.

Nachhaltigkeit betrifft auch die Investitionen der Stadt, und zwar in finanzieller und ökologischer Hinsicht. Möglichst nachhaltiger Ressourceneinsatz und Generationengerechtigkeit müssen in allen Bereichen ein Kriterium kommunaler Maßnahmen sein.

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung darf nicht nur Lehre bleiben, sondern muss anschaulich sichtbar werden, beispielsweise bei der Auswahl der Mittagessensverpflegung in Kitas und Schulen. Nachhaltiges Lernen ist Vorbildlernen, Reden allein bleibt wirkungslos, wenn von Nachhaltigkeit zwar gesprochen, bei Beschlüssen aber gegenteilig abgestimmt wird.

Nachhaltigkeit ist zudem nicht kostenfrei, aber sie zahlt sich aus. Investitionen in Nachhaltigkeit sind Zukunftsinvestitionen, auch wenn die Rendite nicht sofort sichtbar wird. Doch wir sind sie nachfolgenden Generationen auch um der Generationengerechtigkeit willen schuldig. Deshalb legen wir auch Wert darauf, dass kommunale Rücklagen so angelegt sind, dass die verschiedenen Aspekte von Nachhaltigkeit berücksichtigt sind.

Kipp-Punkte, an denen Entwicklungen nicht mehr umkehrbar und reparabel sind, sind schon hier und heute zu vermeiden, sei es bei der Erderwärmung oder einer merklichen Abkühlung im gesellschaftlichen Miteinander, sei es hinsichtlich der Finanzen, wenn Schuldenberge Zukunftsperspektiven verstellen oder Investitionsstau zum Aufwuchs noch höherer Investitionen führt, sei es im Blick auf mangelhafte Teilhabemöglichkeiten, die zu gefährlichen Abschottungen führen, die sich irgendwann nicht mehr einholen lassen.

Für ein Zusammenleben in Frieden, Gerechtigkeit, Teilhabe, für die Bewahrung der Schöpfung durch schonenden und generationengerechten Umgang mit den anvertrauten Ressourcen, für eine achtsame Reaktion auf die vielschichtigen Aspekte von Klimawandel, dafür setzen wir Freie Wähler uns in aller Entschiedenheit ein. Positiver Klimawandel beginnt im Kleinen, bei jedem und jeder von uns. „Wohlstand“ in umfassendem Sinn – das muss aus unsrer Sicht das Ziel aller kommunalpolitischen Bemühungen sein.

In diesem Sinne hoffen wir angesichts der großen Herausforderungen auch im Ringen um zukunftsfähige Entscheidungen und bei den weiteren Haushaltsberatungen ein gutes Klima. Überhaupt sind wir dankbar für das in der Regel gute und faire Miteinander über Überzeugungsgrenzen hinweg und für die gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung, auch wenn wir manchmal gegen den Strich bürsten und anders entscheiden als erbeten und erwünscht.

Unser besonderer Dank aber gilt unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern für das engagierte Mitgestalten unserer schönen Filderstadt, für ihren Einsatz für eine gute Gegenwart und Zukunft und – nicht zuletzt – für die konstruktiv-kritische Begleitung des kommunalpolitischen Engagements. Die vielen großen und kleinen Zeichen des Zusammenhaltes gerade in den schwierigen Zeiten der Pandemie machen zuversichtlich, dass wir als „Filderstadt for future“ gemeinsam auf einem guten Weg sind. Der unsagbare Schatz des Ehrenamtes und breiten bürgerschaftlichen Engagements, den wir in dieser Rede leider nur in Auszügen bedenken konnten, ist für uns Freie Wähler ein großes Pfund für eine gute Zukunft und ein gute Klima unsrer „Filderstadt for future“.

Lassen Sie uns deshalb diesen Weg gemeinsam weitergehen, nicht im Sinne eines „weiter so!“, sondern auch im Erkunden neuer Wege, die wir noch nie gegangen sind, die gemeinsam zu entdecken und zu beschreiten, die gerade eine „Filderstadt for future“ ausmachen.

Herzlichen Dank für alles Mitgehen in die Zukunft, für alles kritisch-konstruktive Begleiten dieses Zukunftsweges und für Ihre wertschätzende Aufmerksamkeit hier und heute.

Für die Freie Wähler Fraktion Filderstadt: Stefan Hermann (Stand: 5.12.2021)